Freitag, 5. Juni 2015

Eingeladen im Hotel



Durchgeschwitzt und mit zerzauster Frisur stand ich vor der verglasten Eingangstür des Hotels in dem das Gespräch stattfinden sollte.
Die August-Sonne brannte unerbittlich vom Himmel und die Mittagshitze machte es unmöglich gut auszusehen. Die weite Bluse und die elegante Stoffhose, die ich extra noch einen Tag zuvor gekauft hatte, waren zwar luftig, doch es verfing sich kaum Wind darin um meinen aufgeheizten Körper zu kühlen. Nur für die Haare hatte er genügend Kraft. Dabei hatte ich sie mir nur für diesen Termin geglättet und anschließend gestylt. Vielleicht mehr schlecht als recht, aber so, dass ich zufrieden aus der Haustür getreten war.

Nun stand ich hier vor diesem unsympathischen Glaskasten und versuchte meine Frisur irgendwie mit den Fingern wieder herzurichten. Der Termin war wichtig, obwohl ich nicht genau wusste, worauf ich mich da einlassen würde. Allein schon der Ort war für mich seltsam gewählt, doch es würde sicherlich einen Grund dafür geben, dachte ich, während ich meine Bluse zu recht zupfte.

Die Menschen die an mir vorbei gingen musterten mich abschätzend, verdrehten sich die Hälse und wenn sich unsere Blicke trafen, schauten sie ertappt weg. Irgendwie war es ihnen nicht zu verübeln, nutzte ich die Hotelfassade als übergroßen Spiegel.

Als die wild gesprenkelte Bluse endlich so saß, wie sie es sollte, fiel mein Blick noch einmal auf die schwarze weitgeschnittene Stoffhose, die viel zu lang war. Zum kürzen lassen, hatte ich nicht mehr die Zeit gehabt, denn auch wie die Bluse, hatte ich mir die Hose einen Tag zuvor gekauft. In meinem Kleiderschrank existierten solche Stücke gar nicht. Aber die Branche des neuen Jobs war Versicherungsmakler und die verlangte nach genau so einem Outfit. Selbst meine Füße hatten sich schon nach einer Stunde nach den Turnschuhen gesehnt, die ich anziehen wollte, sobald der Termin vorbei war. Im Moment steckten sie in den eleganten, schwarzen und schlichten Schuhen mit Keilabsatz. Selbst damit war die Hose noch zu lang und somit hatte ich meine Sneakers völlig umsonst mitgeschleppt. Mit einer Jeans hätte ich die Hosenbeine einfach umgeschlagen und fertig. Aber eine Stoffhose umschlagen? Ging das überhaupt? Wohl eher kaum und wenn doch, würde es blöde aussehen.

Nach fast zehn Minuten vor dem Eingang des Hotels atmete ich tief ein und schaute auf die Uhr. Noch fünfzehn Minuten bis zur vereinbarten Uhrzeit. Langsam wurde ich nervös. Die Finger begannen zu zittern und selbst ein komisches, kribbelndes Gefühl machte sich in den Knien breit. Ich war plötzlich sehr aufgeregt, noch in der Bahn des öffentlichen Nahverkehrs hatte ich gelassen darüber nachgedacht, wie ich auf Fragen reagieren und antworten könnte. Jetzt war allerdings alles verschwunden von dem, was ich mir in Gedanken zurecht gelegt hatte.

Immer und immer wieder, hatte ich mir die Einladung durchgelesen und als würde es mich beruhigen, fingerte ich noch einmal mein Smartphone aus der Tasche und las die Email erneut. Ein Teil davon lautete:

Wir nehmen dich gerne am Eingang des Hotels in Empfang - wir erwarten dich nach dem Eintreten in das Hotel.

Dieser Satz löste in mir Unbehagen aus. Ich wusste einfach nicht was ich zu erwarten hatte. Wie sah das Hotel im Inneren aus, wo und wie würde man mich empfangen? Außerdem stand noch die Frage im Raum, wie wir uns erkennen würden. Immerhin hatte ich meiner Bewerbung kein Foto hinzugefügt.

Na gut, das war auch gar nicht nötig, dass sie wussten wie ich aussehen würde. Ich hatte die Namen der beiden Frauen bei Facebook eingegeben und war ernsthaft überrascht, dass sie so wahnsinnig jung aussahen. Ich hoffte nur, dass mein Outfit nicht zu leger für eine Firma in der Versicherungsbranche erschien.

Egal, dachte ich mir. Jetzt würde ich ohnehin nichts mehr ändern können. Ich muss da rein und mein bestes geben, doch kurz bevor ich in die Lichtschranke der automatisierten Tür trat, erfasste mich erneut ein Windstoß und meine Frisur war wieder zerstört.

„Verdammt“, murmelte ich. Ein Bewohner des Hotels, der sich hinter mir befand, weil er ins klimatisierte Innere wollte, schlängelte sich mit einem breiten amüsierten Lächeln an mir vorbei. Ich erwiderte das Lächeln aus Unsicherheit und folgte ihm einfach hinein.

Als ich in die Lobby trat war ich überrascht. Es sah aus als befände ich mich in einem Café. Zu meiner Rechten befand sich eine rote Sitzgelegenheit in Form eines Halbkreises. Weiter vor mir auf der rechten Seite war der halbrunde Tresen, wo die uniformierten Mitarbeiter sich um die Gäste kümmerten, unter anderem der Mann der mit einem Lächeln an mir vorbei gegangen war. Links befanden sich einige Souvenir-Artikel und dahinter standen Tische mit Sitzpolster bezogene Bankreihen; alles in Form von Halbkreisen.

Mein Blick wanderte suchend umher. Von den beiden Frauen, die mich empfangen wollten, keine Spur. Unsicher schaute ich mich um und setzte mich auf die roten Polster, die sich zu meiner Rechten befanden. Fast schon ängstlich hoffte ich, dass mich keine Mitarbeiter des Hotels ansprechen würden. Während ich dort saß, zupfte ich blind an meinen kurzen blonden Schopf, um nicht ganz so verwahrlost zu wirken. Immer wieder suchte ich in dem Treiben der Gäste nach einer der beiden Frauen.

Dann nach etwa fünf Minuten erblickte ich Vanessa, eine meiner Gesprächspartnerinnen. Sie schaute sich ebenso, wie ich, nur Sekunden zuvor, suchend um. Viel zu schnell sprang ich auf und stieß mit dem Knie gegen den Tisch. Peinlicher konnte es nicht werden. Der Tisch schepperte durch die gesamte Empfangshalle. Fast hätte ich einen Fluch von mir gegeben, doch den schmerzvollen Aufschrei unterdrückte ich mit bravour, setzte mein freundlichstes Lächeln auf und ging auf den natürlichen Blondschopf zu.

Ihr Gesicht war freundlich und gar nicht so steif wie ich es, für eine Frau in der Versicherungsbranche, erwartet hatte. Selbst die Kleidung passte so gar nicht zu meinen Vorstellungen. Sie trug eine Destroyed Jeans und einen weißen, weitgeschnittenen und luftigen Pullover.

„Stephanie, richtig?“, fragte sie mich mit leuchtenden Augen.

Ich war verwundert. Das man mich in der Email schon geduzt hatte, war schon seltsam für mich und, dass man mich auch jetzt mit Vornamen ansprach, empfand ich ebenso als komisch. Mit gemischten Gefühlen und Hemmungen meine zukünftige Chefin zu dutzen, sagte ich:

„Ja und Sie sind sicher Frau Wolff?“

„Genau, komm wir sitzen da drüben.“ Sie blieb so ziemlich an meiner Seite, nur einen Schritt vor mir, und fragte mich, ob ich schon lange gewartet und ob ich das Hotel leicht gefunden hatte. Ich bejahte dies und ließ mich zu dem Tisch führen, an der auch die Co-Gründerin des Unternehmens saß.

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