Sonntag, 14. Juni 2015

Angst - Ich will nicht scheitern!


Angst. 
So ließ sich mein Gefühl am Besten beschreiben, als mein Team-Chef und der Personalleiter mir im Feedback-Gespräch mitteilten, wo sie mich in Zukunft sehen würden.

Eigentlich sollte es nur eine Rückmeldung zu meiner Arbeitsleistung werden. Eine unkomplizierte Reflektion meines Schaffens. Ich hatte darum gebeten, weil ich wissen wollte, ob ich mich in irgendeiner Weise verbessern musste. 


Vor sieben Monaten stand noch alles auf der Kippe. Trotz der großen Bedenken meiner Vorgesetzten hatte man mir die Chance gegeben, mich zu behaupten und mich die Probezeit bestehen lassen. Damals von Zweifeln und existenziellen Druck geplagt, hätte ich nie im Leben daran geglaubt, mich jemals in der neuen Firma beweisen zu können. Die psychologische Hilfe der Seelenklempnerin hatte mir viel bedeutet. Immer und immer wieder nahm ich das Angebot mit ihr zu sprechen dankend entgegen. Bei ihr konnte ich mich über all meine Ängste auskotzen. Ihr konnte ich offen sagen, was mich beschäftigte und Britta stand mir mit wertvollen Tipps zur Seite. 


Und nun das! „Senior of Operation Germany“

Dies sollte in absehbarer Zeit meine neue Berufsbezeichnung werden. So richtig konnte ich die Beförderung noch gar nicht fassen. Ich hatte hart an mir gearbeitet, doch dass ich einmal mehr als eine einfache Sachbearbeiterin werden sollte, hätte ich mir nie erträumen lassen.

Seit einigen Monaten wuchs das Team mit dem ich mich inzwischen pudel wohl fühlte, auch wenn uns drei wieder verlassen mussten. Ich hatte ein paar fähige Menschen um mich, aber auch ein paar Leute mit denen ich kaum klar kam; die mich nervten und mir den letzten Funken Geduld raubten.

Jenny, eine Kollegin, die mir inzwischen sehr ans Herz gewachsen war, hatte ebenfalls eine Beförderung angeboten bekommen. Ich freute mich für sie. Jenny hatte es verdient, nicht nur, weil sie eine der Dienstältesten neben mir war, sondern, weil ich von ihren Fähigkeiten mehr als überzeugt war. Für mich war sie so eine Art Anker; eine beständige Wegbegleiterin in unserem Team, die immer ein offenes Ohr für mich hatte, wenn ich Rat in unserer Arbeit brauchte.

Jenny war für das Land bestimmt worden, in der unsere Firma seit Gründung ansässig war. Eine bessere Wahl konnten unsere Vorgesetzten gar nicht treffen. Jenny war engagiert, fleißig, geduldig und hilfsbereit, konnte aber, wenn nötig, auch auf den Tisch hauen. Allerdings kam es nur selten vor. Dazu gehörte schon eine Menge an Ignoranz der Arbeit gegenüber, damit sie aus der Haut fuhr, obwohl es, ihrer Aussage nach, oft im Inneren brodelte.

Ich hingegen hatte so meine Probleme mit Bestimmtheit. Woran das lag? Keine Ahnung; vielleicht daran, dass ich Harmonie liebte, dass ich eine ausgeglichene Atmosphäre brauchte um konzentriert arbeiten zu können. Ich hasste es, wenn man mich spüren ließ, dass man ein Problem mit mir hatte.

Und genau damit würde ich in Zukunft konfrontiert sein. Eine Horrorvorstellung für mich. Fachliche Führung für das Team. Ich konnte mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, was dies für mich bedeuten würde. Aber genau das sollte eine meiner neuen Aufgaben sein.

Warum hatten sie genau das „Potenzial“ in mir gesehen? Meine Chefs wussten doch, wie sehr ich an mir zweifelte. Ich war bei jeder kleinen Entscheidung unsicher und versuchte mich immer abzusichern. Seit meiner Kindheit hatte ich Angst vor Fehlern und den Konsequenzen, die damit einher gingen. Selbstbewusst war ich noch nie gewesen. Es war mir einfach zu wichtig, was andere über mich dachten. Wieder und wieder hatte ich danach gestrebt, es jedem Recht zu machen und nun sollte ich ein Team führen, in dem genau dieses Selbstbewusstsein verlangt wurde. In dieser Position musste ich meine Entscheidungen gegenüber anderen verantworten und bei Widerstand mich durchsetzen. Etwas, was ich noch nie in meiner beruflichen Laufbahn machen musste. Eine Verantwortung die mich herausfordern würde.

Seit ich hier arbeitete, wohlbemerkt weniger als ein Jahr, hatte ich eine neue Fähigkeit an mir entdeckt. Da unser Team im ständigen Wachstum war und ich seit „Eröffnung“ des deutschen Sitzes dabei war, mussten immer wieder neue Mitarbeiter eingearbeitet werden. Dies fiel mir anfangs schwer, doch mit jeder weiteren Einarbeitung fiel es mir leichter. Vielleicht etwas chaotisch, aber ich war auf dem besten Weg eine Struktur zu entwickeln. In letzter Zeit mit meinen alteingesessenen Kolleginnen, Jenny und Agnieszka, und dem Chef der Abteilung. Demnach konnte meine bisherige Einarbeitung so schlecht nicht sein, wie man an Jenny bestens sah. Dennoch gab es wieder diesen bohrenden Zweifel.

Zwei, der Neulinge raubten mir inzwischen jeden Nerv und selbst die besonnene Kollegin, Jenny, biss sich die Zähne an ihnen aus. Wir versuchten immer wieder, inzwischen mit Agnieszka, die wir liebevoll Aga nannten, den Bambis unseres Teams die Arbeit näher zu bringen; zu verdeutlichen auf was es ankam und die Prozesse dahinter verständlich zu erläutern. Doch all unsere Bemühungen trugen bei den Beiden keine Früchte und wir waren überfragt, woran das lag. Wir zweifelten an unserer Kompetenz, so kompliziert war unsere Tätigkeit in der Firma nicht. Eigentlich bestand sie nur aus Monkey-Work. Daten eintragen! Was sollte so schwer daran sein? Sicher, man musste auf einiges achten, aber das musste man überall, wenn man mit sensiblen Daten arbeitete. Sie erleichterten uns die Arbeit in keiner Weise. Ziel war es, dass man uns Arbeit abnahm, doch mit diesen beiden Exemplaren hatten wir mehr denn je zu tun. Wir mussten ihnen bei Fragen zur Seite stehen, Prozesse immer und immer wieder verständlich erklären und ihre Arbeit hinterher auch kontrollieren. Wir drei gaben unser Bestens, doch irgendwann gelangen wir an einen Punkt, an dem die Überforderung ihren Tribut einforderte. Unsere Ticketzahlen stiegen und wir bekamen Probleme. Immerhin ruhte die Arbeit neben der Einarbeitung nicht und so häuften sich an jedem Tag mehr und mehr Tickets, die auf ihre Erledigung warteten.

Insgesamt hatten wir, zum Zeitpunkt der Verkündung des Aufstiegs, vier Bambis und neben den beiden problematischen Mitarbeitern waren die anderen Neulinge vorzeigefähig. In zwei Wochen hatten sie mehr von den Arbeitsprozessen verstanden und konnten selbst die herausfordernden Fälle bearbeiten. Auch sie hatten hin und wieder Klärungsbedarf – keine Frage, jedoch arbeiteten sie lösungsorientiert, was wir bei den anderen schmerzlich vermissten.

Und genau dies machte mir Angst. Mein zukünftiges Team stand noch nicht, doch ich begann schon kurz nach dem Feedback-Gespräch mir Sorgen zu machen, ob ich mit solchen Menschen als Führungskraft umgehen könnte. 


Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. 

Diesen Spruch bekam ich von unserer Office Managerin zu hören und vermutlich, so dachte ich, würde ich ihn auch von Britta hören.

Und dennoch: Da war sie wieder, die Angst. Angst vor dem Versagen; Angst vor der Verantwortung. Genau wie vor sieben Monaten. ICH WILL NICHT SCHEITERN!

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